5. Dezember 2010
Der letzte Tag der WM beginnt! Nachdem gestern die Historic Dates verschoben wurden, stehen heute vier Disziplinen an. An der Spitze ist es nach wie vor sehr eng. Wird es wieder – wie im vergangenen Jahr in London – ein Wettkampf sein, der sich bei der Königsdisziplin „Speed Cards“ entscheidet? Es sind jedenfalls schon jetzt starke Nerven gefragt.
Johannes hatte nach den Hour Cards gestern ein schlechtes Gefühl, doch das Ergebnis konnte ihn heute morgen beruhigen: 20 sind von 22 aufgeschriebenen Decks übriggeblieben und sein stärkster Konkurrent Wang Feng konnte mit einem Deck mehr seinen Vorsprung nicht wesentlich vergrößern. Auch für Simon lief es recht gut, der weiterhin auf Platz 3 der Gesamtwertung liegt. Mit 28 Decks in Hour Cards hat Ben seinen eigenen Weltrekord erhöht.
Die nächste Disziplin: Historic Dates. Gestern abend haben wir – das deutsche Team – noch lange gerechnet, bei welchen Disziplinen für Johannes wieviele Punkte zu holen sind. Eins stand schnell fest: Bei seiner besten Disziplin muss er alles rausholen, um den Vorsprung zu Wang Feng zu verkleinern.
Direkt nach der Wiedergabe der nächsten Disziplin „Words“ berichten Boris, Johannes und Simon, dass sie mehr memorieren wollten, als sie letztendlich geschafft haben. Zudem gab es während der Wiedergabe einige Lücken, die gefüllt werden mussten. Es fängt das übliche gemeinsame Vergleichen an: War das 21.Wort Kutter, Kanu oder Boot? Wie schrieb man Wort X und war Wort y Singular oder Plural?
Nach „Words“ und vor Beginn der „Spoken Numbers“ kamen die Ergebnisse von den Historic Dates. Johannes hat mit 120 seinen eigenen Weltrekord um zwei Daten erhöht und dabei Wang Feng (5. Platz, 79 Daten) hinter sich gelassen. Dadurch ist Johannes wieder in Führung: 5878 zu 5749 Punkten (Gesamtpunktestand wurde falsch bekannt gegeben – Änderung folgt)! Aber auch Boris war bei dieser Disziplin, die bisher nicht zu seinen besten gehörte, wahnsinnig gut! (104 Daten)
Bei „Spoken Numbers“ geht der Krimi weiter! Wang Feng hat direkt im ersten Durchgang 100 – Simon ebenso. Noch zwei Durchgänge verbleiben, um den Chinesen zu schlagen. Doch im zweiten Durchgang merkt er sich die maximal gesprochenen Zahlen: 200. Auch im dritten Durchgang kann er von keinem Deutschen eingeholt werden. Der Vorsprung zu Johannes und den anderen wächst…
Nun steht schon die letzte und damit die entscheidende Disziplin an: Speed Cards. Doch bevor es losgehen kann, herrscht große Unruhe um Raum. Sämtliche Ergebnisse fehlen, vorhandene Ergebnisse scheinen fehlerhaft, keiner weiß mehr, wie der Gesamtstand aussieht. Die Organistatoren sind ebenfalls unruhig: Speed Cards sollen live im chinesischen Fernsehen übertragen werden und dafür müssen gewisse Zeitfenster eingehalten werden. Genau dieses Fenster scheinen die Sportler nun zu sprengen, indem sie auf ihre Ergebnisse warten wollen – und auch müssen. Wie sonst soll man sich eine Taktik für die letzte Disziplin zurechtlegen? Schließlich übernimmt Simon den Job der Schiedsrichter&Co: Er setzt sich mit seinem Laptop an den Tisch auf dem Podest vor den Sportler und beginnt den momentanen Stand zu errechnen. Dabei wird leider klar, dass Wang Feng beide Durchgänge vergeigen müsste, damit Johannes noch Weltmeister werden kann. Dennoch bleibt es spannend: Die beiden anderen Podestplätze – Silber und Bronze – sind noch offen. Ben, Johannes und Simon müssen sie noch unter sich ausmachen. Alles ist mit dieser einen – und damit auch der letzten – Disziplin möglich!
Irgendwann geht es dann doch einmal los. Um sich von den anderen Sportlern möglichst nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, beginnen die meisten zu unterschiedlichen Zeiten. Dadurch ist es für Zuschauer aus der Ferne schwer einzuschätzen, wer vorne liegt und wer welche Zeit hat. Nach fünf Minuten zeigt sich: Mit 27 Sekunden liegt Wang Feng vorne, Simon folgt mit knapp über 30 Sek., Ben mit über 37 und Johannes mit 56 Sekunden. Wieder eine „Wang-Feng-Überraschung“: In nur 1 Min. 10 Sekunden hat er sein geordnetes Kartenspiel in die richtige Reihenfolge gebraucht – kein Überlegen, keine Unsicherheit. Beeindruckend und erschreckend zugleich! Bei der Kontrolle der Schiedsrichter zeigt sich, dass nur Johannes und Wang Feng ihre Decks richtig haben.
Es kommt auf den zweiten Durchgang an. Nach 24.22 bleibt die Uhr bei Wang Feng stehen, Simon 26,25, Ben liegt bei ungefähr 35 Sekunden, Johannes: 46,03. Wieder geht´s ans Kontrollieren… Ben springt als erster auf! Alle 52 Karten sind richtig! In der Ecke der Chinesen geht der große Jubel wieder los. Alle stürzen sich auf Wang Feng. Überall TV-Teams. Er hat es geschafft! Simon schmeißt seine Karten hin! Sein Deck hatte einen Fehler. 52 Karten in 46,03 für Johannes. Damit ist die Weltmeisterschaft 2010 entschieden! Wang Feng aus China ist Weltmeister! Silber geht an Johannes Mallow, Bronze an Ben Pridmore!
Einige Stunden später beginnt die Siegerehrung, die für das deutsche Team sehr erfolgreich ist: In der Gesamtwertung haben es fünf unter die Top10 geschafft: 2. Johannes Mallow, 4. Simon Reinhard, 5. Dr. Gunther Karsten, 7. Boris Nikolai Konrad, 10. Cornelia Beddies – die damit auch die beste Frau des Turniers ist! Dazu kommen einige Titel und Podestplatzierungen in den Einzeldisziplinen und zum Schluß noch die große Überraschung: Deutschland ist Teamweltmeister! Immer wieder wechselte die Führung während des Wettkampfs, doch die deutsche Mannschaft hatte doch die Nase vorne und konnte die Chinesen hinter sich lassen!
Sehr amüsant war auch die Begeisterung der Chinesen für die deutschen Gedächtnissportler, die kurz vor Beginn der Siegerehrung deutlich wurde: Eine gefühlte Ewigkeit mussten alle Autogramme geben und für Fotos freundlich lächeln. Kaum hatte der eine seine Jacke signiert bekommen und ein Foto mit sich und einem Sportler zur Erinnerung, kam der nächste. Teilweise konnten sich so schon richtige Warteschlangen bilden. Es war wohl etwas ungewohnt, so viel „Fans“ als Gedächtnissportler zu haben, aber sicherlich auch eine nette Abwechslung ;).
Bis zum nächsten Morgen wurde dann gefeiert und das haben sich die Sportler auch mehr als verdient: Selbst wenn es für den Einzeltitel nicht gerreicht hat, haben die deutschen Teilnehmer großartige Leistungen vollbracht! Herzlichen Glückwunsch an alle!